Bald alle Döner mit gleichem Geschmack?

Die Berliner Zeitung „Die Welt“ stellte jetzt die Frage, ob bald alle Döner in Deutschland gleich schmecken?!

Schließlich ist bei den Männern in Deutschland der Döner das beliebteste Fastfood-Gericht, beim weiblichen Geschlecht steht die gefüllte Pita-Tasche hier auf Rang zwei. Gut 16.000 Imbissbuden müssen sich einen Milliardenumsatz teilen, dies wollen einige jetzt ändern, eine Döner Megakette ist geplant.

So leuchtet durch die Berliner Nacht schon die Reklame „Super Angebot Döner Kebab“. Das Bild eines Döners thront auf einem grünen Plastikschild. Grell wird es auf dem Bürgersteig elektrisch beleuchtet um den potentiellen, spontanen Hunger der Passanten, die noch spät am hiesigen Yesil Firin Kebab Haus vorbei prominieren, zu stillen.

Das Superangebot mit Kalbfleisch vom Spieß in Fladenbrottasche, dazu scharfes Dressing, Knoblauchsoße, Zwiebeln und Salat kostet nur 1,99 €. Also ein absoluter Preisbrecher.
Für Besitzer Necmettin Milet ist das Geschäft so kaum lohnenswert. Schließt er sein Kebabhaus um 23.30 Uhr ab, hat er an normalen Tagen rund 300 € in der Kasse, wenn es gut läuft, können es auch 400 € sein. Der Döner sorgt dabei für 50 % seines kompletten Umsatzes, warme türkische Speisen und Pizza bringen die übrige Knete. Frische Zutaten, sechs Mitarbeiter in Vollzeit und die Mieter sind allerdings fixe Kosten, die dem Döner-Dreher ständig auf der Tasche liegen.

Da gerade in Großstädten beim Döner ein Preiskampf tobt, lässt sich Milet vom Diktat der Billigpreise unterwerfen, schließlich haben die Laufpassanten im Berliner Stadtteil Wedding auf der Badstraße genügend Auswahl. Passieren potentielle Kunden Milets Döner Biude ohne bei ihm einzutreten, können sie auf den nächsten 300 Metern immer noch im Bistro „Döner Kebab“, bei „Super Döner“ oder in sieben weiteren Döner Imbissen auf der Badstraße einkehren, um die beliebte Pita-Tasche zu verspeisen.

Der Döner liegt seit Jahren bei den Deutschen auf Platz eins der Rangliste der populärsten Fastfood-Gerichte. Regelmäßig steht er in entsprechenden Studien an der Spitze. 24 % der Männer erklärten 2012 den Döner zur Top-Schnellspeise, immerhin gaben sogar 19 % der Frauen zu, dass sie nach Pizza den Döner als Fastfood-Gericht präferieren. 2013 trennte das Restaurantverzeichnis „Hierschmeckts“ in einer Untersuchung die Geschlechter nicht, dabei wurde der Döner mit 23 % zum populärsten Schnellgericht gewählt.

Laut Statistikportal „Globometer“ verputzen die Deutschen pro Jahr rund 400 Millionen Döner, jeder Bundesbürger labt sich im Mittel also per annum an fünf fleischgefüllten Fladentaschen. Das Zentrum für Türkeistudien hat herausgefunden, dass der Döner Umsatz 2013 bei rund 2,5 bis 3 Milliarden € lag.

Deshalb wittern viele natürlich ein großes Geschäft, setzt man allerdings den Fastfood-Riesen McDonald’s in Relation, werden die Unterschiede klar. McDonalds Deutschland erwirtschaftete 2013 einen Umsatz in Höhe von 3,1 Milliarden €. Ein großer Anbieter macht mit dem Bürgerappetit der Deutschen also enorme Profite.

Die deutsche Döner Industrie hingegen ist total zerklüftet. Das Zentrum für Türkeistudien in Essen schätzt, dass in den gut 16.000 Döner Boden ca. 60.000 Beschäftigte ihre Arbeit tun, jeder Döner Imbissbetreiber schnippelt dabei meistens selbst an seinem eigenen Spieß. Oft handelt es sich hier um Einzelbetriebe, die einen monatlichen Durchschnittsumsatz von rund schlappen 500 € generieren.

Noch weniger klingelt die Kasse in den Ballungsräumen der Metropolen, da hier ein Preiskampf ausgetragen wird, dem sich auch Milet in Berlin Wedding stellen muss. Dabei ist er eigentlich eher zufällig zum Döner gekommen, da der Vorbetreiber einen Nachfolger für die Döner Bude suchte und Milet nach einem neuen Geschäft fahndete.

Die Anfangseuphorie ist verflogen, Milet möchte am liebsten sofort den Laden wieder abgeben. Es sei viel Arbeit, bei der kommt etwas herumkomme. „Man kann kaum Stammkunden finden, da ja alle paar Meter eine andere Döner Bude existiert.“

Der Ökonom am Zentrum für Türkeistudien, Yunus Ulusoy, erklärt, dass die Branche absolut gesättigt sein. „Viele Anbieter eröffnen einen Laden, da es ihnen an Alternativen fehlt und nicht, weil sie sich großen Umsatz erhoffen. Bislang konnte sich aus diesem Grund in Deutschland auch kein großes Filialnetz eines Anbieters etablieren.“

Ulusoy sieht für die Systemgastronomie in der Döner Branche kein großeß Potenzial, „da man, um wirklich schnell zu wachsen und bundesweit agieren zu können, entweder viel Kapital oder ein besonders innovatives Konzept braucht. Ich sehe für beides wenig Spielraum, da wir es mit einer Industrie zu tun haben, in der sich alles um ein einziges Produkt dreht – den Döner.“

Ulusoy gibt außerdem zu verstehen, dass die Eintrittsbarrieren gering seien, meist lieferten große Produzenten den Spieß, für die weitere Zubereitung des Döners benötige man keine hohe Qualifikation. „Deshalb macht es auch keinen Sinn, sich von einem Franchisegeber abhängig zu machen, wenn man das gleiche Business ohne großen Aufwand selbst in die Tat umsetzen kann.“

Dennoch wollen einige Unternehmen unter Beweis stellen, dass der Franchisebetrieb lukrativ sein kann, deutschlandweit operieren schon einige große Döner Ketten, die ihre Marke bekannt machen wollen. Dazu gehört auch Nihal Gökce, ihr gehört die „Kebab Collection“ in Hamburg. Sie ist davon überzeugt, dass der Döner Imbiss an der Ecke keine Zukunft haben werde. Mit einem Mini-Imbiss startete Gökce 2002 auf Hamburgs Bramfelder Chaussee, 2007 zog sie in ein größeres Ladenlokal auf die Fuhlsbüttlerstraße um. Das Ehepaar Gökce rief 2007 dann in der Hansestadt den ersten Döner Lieferservice ins Leben, heute macht das Außerhausgeschäft rund 60 % des eigenen Absatzes aus, pro Tag gehen rund 200 Bestellungen ein. Zuletzt konnte „Kebab Collection“ rund 500.000 € umsetzen.

Auf der Fuhlsbüttlerstraße wird aber nicht nur der Klassik Döner mit Saucen, Zwiebeln, Salat und Fleisch serviert, auf der Speisekarte finden sich auch zwölf unterschiedliche Döner Optionen. Döner Fans, die das Abenteuer lieben, können so beispielsweise den Mexiko Döner (mit Tortilla Chips und Jalapeño-Chilis) ordern, beliebt ist auch der Frankreich Döner mit Champignons und Camembert.

Jetzt soll der Döner aus Hamburg in ganz Deutschland bekannt werden, an der Elbestraße hat Gökce in unmittelbarer Nähe zum berühmten „Schellfischposten“ ein Flagship-Restaurant aufgemacht, dieses soll für zukünftige Franchise-Filialen Vorbildcharakter haben. Hinter einer Glasscheibe finden sich in einem großen und hellen Raum im Landhausstil fein säuberlich die sechs eigen kreierten Soßen, auf Schiefertafeln werden die Gerichte mit Kreide geschrieben. Das Döner Fleisch wird von den Mix-, Kalb- und Hähnchenfleisch-Spießen voll automatisch per Schaberoboter abgeschnitten.

Jetzt vergibt Gökce auch Franchise-Lizenzen, auch an anderen Standorten soll der Döner demnächst punkten. Im Deutschen Franchise-Verband ist die „Kebab Collection“ bislang allerdings die einzige dort vertretene Döner Dynastie. Gökce erzählt, dass sie von potentiellen Franchise-Nehmern schon über eine 40 Anfragen erhalten habe. Bis Ende des Jahres 2015 sollen in ganz Deutschland 20 Unternehmer eine Lizenz zum Döner drehen bekommen und entsprechende Imbisse eröffnen.

„Alice Premiumdöner“ schwingt sich zur Konkurrentin für die erste große deutsche Döner Kette aus Hamburg auf, im Essener Einkaufszentrum „Limbecker Platz“ ist der Döner Filialist 2011 an den Start gegangen, mittlerweile gibt es sieben Filialen, darunter in der „Skyline Plaza“ von Frankfurt und auf der berühmten Düsseldorfer Königsallee. Geschäftsführer und Gründer Ali Erdogan: „Wir wollen für die Verbesserung des Döner Images sorgen und auch eine besser situierte Klientel ansprechen.“

Dafür hat Ali die Imbisseinrichtung einem italienischen Innenarchitekten überlassen, Kunden können hier an Glastischen und in Ledersesseln Platz nehmen, hinzu kommt eine große Produktqualität und die bewusste Platzierung der Buden in Luxus-Einkaufscentern oder teuren Shoppingmeilen. Ali denkt nicht, „dass der Markt schon gesättigt ist. Der Döner ist vor allem an Topstandorten in Deutschland bisher kaum präsent.“ Deshalb möchte Ali in den nächsten fünf Jahren seine Filialkette auf 30 Läden erweitern.

Auch in München macht sich ein Döner Betreiber daran, eine Franchise-Kette zu etablieren, direkt im Münchner Flughafen eröffnete Ali Alkan die erste Filiale der Kette „Oliva“. Bei Alkan kommen viele internationale Kunden auf den Geschmack, die noch nie einen Döner gegessen haben.

Die Döner Imbisse hat Alkan an den Hotspots der bayerischen Kapitale platziert, „Oliva“ ist in den „Stachus Passagen“ vertreten, außerdem an acht weiteren Standorten in München. Ferner vergibt Alcan Franchise-Lizenzen ins Ausland. So findet man „Oliva“ auch zweimal im österreichischen Linz, außerdem Filialen in Abu Dhabi und Bukarest. Alkan möchte den Döner frischer und moderner präsentieren, über den Köpfen seiner Mitarbeiter bewerben bunte Screens ähnlich wie bei Burger King oder McDonalds seine Speisen, während die Spießproduktion in einem Video dokumentiert wird.

Berge frischen Salats türmen sich unterhalb des Tresens, darunter geraspelte Möhren, Rotkohl und sogar Feldsalat. Alkan sieht die Stärke seines Filial-Konzepts darin, dass ein Döner überall gleich gut schmecken sollte. Schließlich könne ein Döner von einem unbekannten Imbiss immer auch eine Enttäuschung für den Gaumen sein. Zunächst will Alkan vor allem in und um München Expansionspläne verfolgen, nach weiteren Franchise-Nehmern sucht er im Ausland.

Vielleicht findet er die auch in den USA, hier erlebte der Döner gerade einen regelrechten Boom, was auch Dominik Stein und Michael Heyne zu verdanken ist, die 2011 ihre Kette „Vertskebab“ eröffneten. Die deutschen Unternehmer starteten mit ihrer ersten Filiale in der texanischen Hauptstadt Austin. Die Döner drehen sich mittlerweile auch in Dallas und Houston.

In der „Marbacher Zeitung“ erklärte Michel Heyne, dass es in den USA sehr viel Fastfood, aber keine Döner gegeben habe. Stein und Heyne haben also eine Marktnische aufgetan, bis Ende 2014 soll sich die Anzahl ihrer Döner Filialen fast verdreifacht haben, die Imbisse von 7 auf 20 nach oben geschraubt werden. Im kommenden Jahr sind weitere 15 Filialen geplant, zuerst in Texas, dann auch in anderen US-Bundesstaaten.

Ob in Deutschland solch ein großes Filialnetz ebenfalls erfolgreich sein kann, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Dennoch glauben Döner Unternehmer wie Alckn, Erdogan und Gökcee natürlich an ihren Erfolg, sie alle preisen die Produktqualität, unterstreichen dabei, dass der Döner in Deutschland noch salonfähiger gemacht werden soll.

Der Unterschied zu den Vereinigten Staaten allerdings ist, dass der Döner in Deutschland eben kein neues Phänomen mehr ist. Außerdem gingen in der Vergangenheit geplante Franchise-Vorhaben mit Pauken und Trompeten unter. So plante beispielsweise der Frankfurter Döner Hersteller Karmez 2003 eine europaweite Döner Kette inklusive Franchise-System, aus dem bis heute nichts geworden ist.

Enfil Tütüncübasi führt den Betrieb mit seiner Schwester und sechs Brüdern und rekapituliert, dass man bislang leider keinen passenden strategischen Investor gefunden habe. Er ist jedoch überzeugt, dass eine Döner Franchise bald kommen werde: „Ob wir es sind oder andere…!“ Schließlich sind die Qualitätsunterschiede beim Döner sehr groß, eine Marke mit guter Qualität kann davon profitieren.

Skeptisch hingegen ist dahingehend die Expertin für Systemgastronomie beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband, Sandra Warden. Vor allem werde jemand, der in eine Kette investiert, es dort machen, wo es noch Nischen gebe. „Allerdings“, meint Warden, „nehmen Trends beim Essen oft spannende Wendungen.

Beispielsweise brutzelten neben den amerikanischen Fastfood-Giganten jahrelang vor allem Einzelkämpfer ihre Burger.“ Deutschlandweit schießen so zum Beispiel jetzt Filialen der Edelburger-Kette „Hans im Glück“ wie Pilze aus dem Boden. Beheimatet und weit verbreitet ist zudem die italienische Gastronomie in Deutschland – dennoch kann man sich viele  deutsche Metropolen ohne eine Filiale der Pasta- und Pizzakette „Vapiano“ nicht mehr vorstellen.

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